Handschriften
Die ULB Düsseldorf verfügt über eine 423 Manuskripte umfassende Sammlung an mittelalterlichen Handschriften. Es handelt sich dabei um die außerhalb Kölns größte Sammlung in Nordrhein-Westfalen.
Des Weiteren befindet sich ein kleiner Bestand an neuzeitlichen Buchhandschriften im Besitz der ULB.
Erschließung, Digitalisierung und Benutzung
Die Erschließung des mittelalterlichen Düsseldorfer Handschriftenbestands erfolgte im Rahmen eines DFG-Projekts. Der Düsseldorfer Handschriftenkatalog ist in mehreren Bänden erschienen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Die Düsseldorfer mittelalterlichen Handschriften sind vollständig digitalisiert. Lediglich fünf Handschriftenbände konnten aus konservatorischen Gründen nicht bearbeitet werden. Die als Digitalisate vorliegenden Objekte finden Sie hier.
Neben den 423 mittelalterlichen Handschriften verfügt die ULB über einen umfangreichen Bestand an mittelalterlichen Fragmenten des 8. bis 16. Jahrhunderts. Die Düsseldorfer Fragmente decken ein breites fachliches Spektrum von verschiedenen Philologien über Liturgik, Kanonistik, römisches Recht bis hin zu Musik und Kunst ab. Die Fragmente wurden im Rahmen eines DFG-Projekts inventarisiert und digitalisiert. Alle Digitalisate und Beschreibungen sind in einem online zugänglichen Inventar der ULB Düsseldorf und bald im Handschriftenportal der Staatsbibliothek zu Berlin recherchierbar.
Die neuzeitlichen Buchhandschriften sind bisher kaum erschlossen: Zu den 30 Handschriften der Binterim-Bibliothek wurde eine Bestandsliste erstellt, der Nachweis der übrigen Schriftbände befindet sich in Planung.
Zur Bestellung bitten wir um eine telefonische oder schriftliche Voranmeldung spätestens einen Tag vor Ihrem Besuch. Die Nutzung erfolgt unter fachlicher Aufsicht im Sonderlesesaal.
Provenienz
Da die Handschriftensammlung der ULB ganz überwiegend als Säkularisationsgut aus 22 rheinischen und westfälischen Klöstern, Stiften und Konventen stammt, ist sie noch stärker liturgisch und theologisch geprägt, als dies bei Sammlungen mittelalterlicher Handschriften ohnehin zu vermuten ist.
Kreuzbrüderkonvent Düsseldorf: 83 Hss.
Kreuzbrüderkonvent Marienfrede: 65 Hss.
Zisterzienserabtei Altenberg: 54 Hss.
Benediktinerabtei Werden: 21 Hss.
Kanonissenstift Essen: 17 Hss.
Kleinere Provenienzgruppen stammen aus dem Düsseldorfer Marienstift (St. Lambertus), dem Dominikanerinnenkonvent Paradiese bei Soest, der Benediktinerabtei Groß St. Martin in Köln und dem Benediktinerkloster Siegburg.
Bestandsübersicht
Signaturengruppe | Gesamt |
---|---|
A. Bibelhandschriften | 18 |
B. Theologische Handschriften | 199 |
C. Hagiographische und asketische Handschriften | 94 |
D. Liturgische Handschriften | 37 |
E. Kanonistische und römisch-rechtliche Handschriften | 14 |
F. Philosophische und philologische Handschriften | 13 |
G. Historiografische Handschriften | 7 |
N. Codices Novi | 12 |
P. | 2 |
Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Auswahl unserer bedeutendsten Handschriften innerhalb der Signaturengruppen A, B, C, und D vor.
Informationen zu ausgewählten Handschriftengruppen
Der Codex A5 umfasst die zum Teil mit den Prologen des Kirchenvaters Hieronymus († 420) eingeleiteten alttestamentlichen Schriften bis hin zu einer erklärenden Vorrede zum Jesajabuch, das selbst nicht enthalten ist. Der zweite Band befindet sich im Pfarrarchiv der Kirchengemeinde St. Lambertus in Düsseldorf. Wie in anderen Handschriften des Alten Testaments ist auch in A5 der Psalter nicht aufgenommen, den man aus praktischen Gründen häufig als selbstständige Handschrift benutzte.
Der reiche Buchschmuck dieser Handschrift besteht vor allem aus 25 sehr schönen Fleuronné-Initialen mit blau-rot gespaltenem Stamm zu Beginn der Bücher Genesis bis Sirach, 6- bis 14-zeilig und in halber Spaltenbreite; dazu auf der Rückseite von Blatt 6 eine Initiale mit Darstellung der Schöpfungsgeschichte. Spezifisch ist der spätmittelalterliche Wildledereinband, dessen ursprünglich an den vier Ecken und in der Mitte der beiden Deckel aufgenagelten Messingbeschläge bis auf einen Eckbeschlag alle verloren sind. Entstanden ist die Handschrift im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts in einem Kölner Buchmaleratelier; ihre Herkunft aus der stadtkölnischen Benediktinerabtei Groß St. Martin ist überliefert. Das große Format, die kunstvolle Schrift, die reiche Ausstattung durch kleine und prachtvolle größere Initialen deuten auf die liturgische Verwendung dieser Bibelhandschrift hin. Dafür spricht auch die gelegentlich auf dem breiten Rand nachträglich vorgenommene Einteilung in Leseabschnitte. Parallelhandschriften zeigen die Nähe zur französischen Buchmalerei um 1300.
Unter den Handschriften mit patristischen Bibelkommentaren sind besonders die Manuskripte B3 und B4 hervorzuheben. Codex B3 enthält vorwiegend einzelne Bücher der Heiligen Schrift, Auszüge biblischer Texte und Bibelkommentare von Kirchenvätern (letztere teilweise als Exzerpte). Vollständig vorhanden ist der Hoheliedkommentar Gregors des Großen. Den umfangreichsten Text stellen die „Interrogationes et responsiones in Genesin“ Alkuins (um 730–804) dar. Deren hier enthaltene Abschrift entstand bereits kurz nach der Abfassung des Textes.
Außerdem enthält der Codex Heiligenviten (vor allem der in der Ostkirche verehrten Jungfrauen Euphrosyne und Marina, beide mit dem Motiv der „Monachoparthenos“), Hymnen sowie einen Auszug aus „De opere monachorum“ Augustins. Herkunft und Entstehungszeit der Handschrift sind paläographisch gesichert. Die verwendete vorkarolingische (heute bizarr wirkende) „ab-Minuskel“ verweist auf die Benediktinerabtei Corbie in Nordfrankreich bzw. auf Skriptorien unter deren unmittelbarem Einfluss und auf einen Zeitpunkt der Entstehung nicht lange nach 800. (Die „ab-Minuskel“ wurde nämlich bald nach der Wende zum 9. Jahrhundert von der voll ausgebildeten karolingischen Minuskel verdrängt.) Durch Einträge des 13. und 17. Jahrhunderts ist der Codex sicher als Eigentum der Stiftsbibliothek Essen erwiesen. Jedoch lässt sich bereits für das Frühmittelalter Essener Besitz als äußerst wahrscheinlich annehmen. Damit wäre auch eine hochinteressante Eintragung am Ende des Codex nach Essen zu lokalisieren. Es handelt sich dabei um einen der frühesten überlieferten Briefe von einer Schülerin an ihre Lehrerin („Domina magistr“). Dieser wurde um 900 oder wenig später auf das vorletzte Blatt der Handschrift eingetragen und stellt ein herausragendes indirektes Zeugnis für die frühmittelalterliche, an die Lebensform der Klöster und Stifte gebundene Frauenbildung dar. Bei der Handschrift B4, die aus dem 8. Jahrhundert stammt, handelt es sich um den Text von Alkuins Johannes-Kommentar. Dieser Codex war seit dem 10. Jahrhundert in Essener Besitz.
Das bekannteste der Werke des Caesarius von Heisterbach (um 1180 bis nach 1240), berühmter Mönch des im rheinischen Siebengebirge gelegenen Zisterzienserklosters Heisterbach, ist der „Dialogus miraculorum“ (1219–1223), als Handschrift C27 in Düsseldorf aufbewahrt. Es handelt sich um eine vielfach aus mündlicher Überlieferung geschöpfte, nach 12 Themen geordnete Sammlung moralisierender Wundergeschichten: äußere und innere Bekehrung zum Klosterleben, Beichte, Versuchung, Versucher, Herzenseinfalt, Marienwunder, Visionen, Eucharistie, allgemeine Wunder, Sterbende, Göttliches Gericht über Verstorbene.
Die lebendig, teils naiv und drastisch geschilderten Exempla sind aufgebaut in der Form eines Dialogs zwischen einem Novitius interrogans und dem Monachus respondens. Hinter letzterem verbirgt sich Caesarius, der seine Novizen ein gottesfürchtiges Leben lehrt und vor den Gefährdungen der Welt warnt. Aufgrund der großen Anschaulichkeit in Darlegung und Sammlung der Mentalität der Zeit ist der „Dialogus“ eine wertvolle Quelle für die mittelalterliche Kulturgeschichte. Die Miniaturen des Codex zeigen den niederrheinischen Stil unter nordfranzösisch-flandrischem Einfluss.
Die Handschrift D1 ist ein Sakramentar des 9. Jahrhundert, das höchstwahrscheinlich in Nordwestdeutschland gefertigt wurde und in die Benediktinerabtei Werden gelangte. Der Codex enthält das Sacramentarium Gregorio-Hadrianum, das heißt, er bietet als Textgrundstock ein Gregorianisches Sakramentar, das um ein von Papst Hadrian I. und Karl dem Großen angeregtes inhaltliches Supplement angereichert ist. Er enthält die Priestergebete der römischen Eucharistiefeier nach einer vermutlich der Zeit Papst Honorius I. (625–638) angehörenden Rezension in der Hadrianischen Bearbeitung (784/791), die Ende des 9. Jahrhunderts von Rom nach Aachen geschickt wurde, sowie spezifisch fränkische Zusätze, die ihrerseits Elemente der gallikanischen Liturgie enthalten.
Während die künstlerische Gestaltung eher bescheiden ist (nur zwei Initialen sind ausgeschmückt, Buchillustrationen und Miniaturen fehlen ganz), hat er besonders wegen einiger im 1. Jahrhundert nach Entstehung der Handschrift eingefügter Lagen das Interesse der Forschung gefunden. Hervorzuheben sind ein Kalendarium mit Nekrologeintragungen, verschiedene volkssprachliche Namenslisten, ein griechisches Vaterunser (mit lateinischer Interlinearübersetzung), das Vaterunser in hebräischer Sprache mit lateinischen Buchstaben geschrieben und an mehreren Stellen marginale Ergänzungen in paläofränkischer Neumenschrift. Durch die namentliche Nennung von Papst und Kaiser in den großen Fürbitten des Karfreitagsgottesdienstes lässt sich dieses Sakramentar genau datieren, und zwar auf die Monate zwischen Januar 868 und Dezember 872. Der Entstehungsort der Handschrift ist nicht genau zu bestimmen. Gewiss ist, dass das Sakramentar sich seit etwa 873/875 im Kanonissenstift Essen (das damals noch stark benediktinischen Einflüssen offen war) befand. Dort überstand der Codex den Großbrand des Stiftes 946. Die den wissenschaftlichen Wert des Sakramentars ausmachenden Nachträge sind mit Sicherheit in Essen entstanden. Auf fol. 221r des Codex befindet sich der zweitälteste Beleg für den substantivischen Gebrauch des Adjektivs „theodiscus“, des althochdeutschen Grundwortes für „deutsch“.